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Dieser Mann macht Laune. Egal ob als Frontmann der legendären ‚Far‘ oder im Rahmen seiner Sologeschichten. Jonah Matranga ist ein musikalischer Tausendsassa, der schier unermüdlich seine in Musik gegossenen Träume und Wünsche mit seinem Publikum teilt. Denn das scheint ihm als Künstler neben der Musik das Wichtigste zu sein – die Nähe zu seinen Fans. Und die fallen schließlich in die Kategorie ‚supertreu‘ und feiern jede Note, die er ihnen schenkt. Ob laut oder leise ist dabei völlig egal – er berührt einen immer genau da wo’s pulsiert. Das dies auch genau seine Absicht ist, welche Platten er besonders mag und wie es um den ‚Emo an sich‘ steht, verriet uns Herr Matranga kurz bevor er auf der kleinen Bühne im Restaurant einen wahren Gefühlssturm entfachte, der nach dem Konzert auch die hintersten Plätze mit einem Lächeln im Gesicht in die Nacht entließ.

? Du machst ziemlich viel selbst. Gehe ich recht in der Annahme, dass du für die traditionellen Angebote der Musikindustrie nicht viel übrig hast?

Jonah Matranga (JM): Am Anfang hat mich das mehr verwirrt als jetzt. Als ich in der Post-Nirvana Zeitrechnung damit anfing, war in der Musikindustrie noch viel Geld da. Die Major-Labels waren sehr abenteuerlustig, ganz einfach schon deshalb, da sie sich nicht sicher sein konnten, was funktioniert und was nicht. Das hatte zufolge, dass ich zwar eigentlich immer in ziemlich seltsamen Bands spielte, wir aber trotzdem verhältnismäßig große Verträge bekamen. Heute können die großen Plattenfirmen nicht mehr viel für einen tun, es sei denn du bist ‚Lady Gaga‘ oder machst irgendetwas im Mainstream. Natürlich gibt es aber auch sehr populäre Indie-Bands. Ich persönlich aber habe mich bei Labels noch nie besonders gut aufgehoben gefühlt. Das hatte nichts damit zu tun, ob ich die Leute mochte, oder nicht. Ich habe ab einem bestimmten Punkt einfach gemerkt, dass immer dann, wenn ich das Gefühl verlor vierzehn zu sein und in einem Keller Musik zu machen, alles andere plötzlich keinen Spaß mehr macht. Das ist auch der Grund, warum viele Rockstars so jammern. Ganz einfach deshalb, weil sie am Anfang davon träumen, wie es sein wird ein Rockstar zu sein, aber plötzlich aufwachen und merken, dass es nicht so ist, wie sie es sich vorgestellt hatten. Sie arbeiten dann zwar immer noch hart, haben aber die ursprüngliche Magie verloren. Um gar nicht erst anzufangen zu jammern, habe ich daher beschlossen diese Magie nie zu verlieren. Ganz einfach deshalb, weil ich immer wieder diese extrem erfolgreichen Leute gesehen habe, die sich immer nur beschwert haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten habe ich sie dafür aber nicht verurteilt, denn ich weiß, dass dieses Leben nicht immer schön ist. Wenn also der spaßige Teil, der direkt von Herzen kommt, nicht mehr da ist, dann ist alles nur noch scheiße. Als ich anfing die Dinge selbst in die Hand zu nehmen wollte ich dadurch aber nicht beweisen, wie Punkrock ich bin. Ich wusste einfach, dass ich glücklich sein musste um das zu tun, was ich tun wollte. Letztendlich bedeutet das auch, sich nicht viel mit Business-Angelegenheiten herumschlagen zu müssen. Ich wollte damit aber keinesfalls einen auf Fugazi machen – und ich liebe Fugazi. Vielleicht hatten sie ja den gleichen Grund wie ich. Spaß muss es aber machen, denn tut es das nicht, dann würde ich es auch nicht machen.

? Wie wichtig ist dir die Nähe zu deinem Publikum?

JM: Ich habe viel darüber nachgedacht, warum ich das alles mache, schon allein deshalb, weil ich finde, dass es wichtig ist darüber nachzudenken, was man mit seinem Leben anfängt. Augenscheinlich hat jeder von uns ja nur eine Lebenszeit zur Verfügung. Ich nehme das also sehr ernst. Der Hauptgrund, warum ich das alles mache hat etwas damit zu tun, dass ich es einfach liebe um drei Uhr morgens mit einer Idee im Kopf aufzuwachen, um dann zu versuchen sie Realität werden zu lassen. Das ist der zentrale Anlass, warum ich mache, was ich mache. Ein weiterer Grund hat damit zu tun, wie gut es sich anfühlt, es dann auch anderen zu zeigen, sich hinzustellen und zu sagen: „Hier ist meine Idee“. Das ist wie, wenn ich als Fünfjähriger mein soeben gemaltes Bild meiner Mutter präsentierte. Im Endeffekt dreht sich immer noch alles darum. Meine Zuneigung für alle, die sich meine Musik anhören und sich für sie interessieren ist deswegen so groß, weil es mir so am Herzen liegt. Das ist für mich etwas ganz Besonderes, auch aus der Perspektive des Musikfans. Wenn ich einen Künstler mag, dann bin ich ihm sehr verbunden. Wenn ich dann Fans treffe, die den gleichen Glanz in den Augen haben, den ich auch habe, wenn ich einen Künstler treffe, den ich sehr bewundere, dann ist es einfach, sich daran zu erinnern, wie es mir in einer solchen Situation geht. Ich kann ihnen also den Tag dadurch versüßen, indem ich cool zu ihnen bin. Das fällt mir nicht schwer, da ich zum einen sehr dankbar für alles bin, zum anderen aber selbst auch einfach nur ein begeisterter Fan bin. Ich genieße diese enge Verbindung zu meinen Fans aus genau diesen zwei Gründen. Ohne sie kann nämlich alles schnell einfach nur zu einem komischen Geschäft werden, in dem sich alles nur um vermeintliche Superstars dreht. Ich glaube, dass macht dann aber nicht mehr wirklich Spaß.

? Was ist das hauptsächliche Gefühl, das du durch deine Songs zum Ausdruck bringen willst?

JM: Es geht um Bescheidenheit und um die Tatsache, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Wenn ich es genauer betrachte, dann habe ich eigentlich immer nur darüber geschrieben. Wir sind schließlich ein Haufen unvollkommener Streber und die einzige Chance, die wir auf wahre Liebe haben, ist zuzugeben, dass wir mitnichten perfekt sind und uns dafür aber alle gleichermaßen lieben sollten. Das ist eigentlich auch schon alles, worüber ich schreibe. Ich tue das entweder auf persönlicher Ebene, indem ich über mich schreibe, oder ich denke dabei an meine Tochter. Viele Liebeslieder, die ich geschrieben habe, sind daher keine Anti-Liebeslieder, aber eben auch nicht perfekt. Nimm das Stück ‚I Want You To Be My Witness‘. Da geht es darum, sich davon zu verabschieden, perfekt sein zu wollen. Ich sage das meinem Publikum bei den Shows ja auch ganz offen: „Ich hoffe, ihr seid heute auf dem Nachhauseweg weniger selbstsicher als vorher und auch noch glücklich darüber.“

? Welche Musik hört eigentlich deine Tochter?

JM: Hip Hop. Wir haben da ein ziemlich cooles Spiel am Laufen. Sie begeistert mich für coolen Underground-Hip Hop und ich spiele ihr Sachen vor, die ich irgendwo aufgeschnappt habe. Als sie noch sehr klein war, mochte sie alles, was ich ihr vorspielte. Dann wollte sie es irgendwann nicht mehr hören und fing stattdessen an, klassischen Teenager-Pop zu hören. Das war süß. Im Anschluss kam eine Phase, in der sie durch Freunde auf der High School wieder anfing Platten zu hören, die ich ihr schon fünf Jahre zuvor vorgespielt hatte, die sie damals aber nicht mochte. David Bowie ist da ein gutes Beispiel. Für solche Sachen ist sie jetzt also auch offen. Sie hat aber so gut wie noch nie eine CD gekauft, denn das läuft alles über ihren iPod, was wiederum zur Folge hat, dass sie von bestimmten Stücken zwar jedes Wort mitsingen kann, den Künstler aber partout nicht kennt. Das ist eine ganz andere Erfahrung der Musik. Ich frage sie aber während des Autofahrens manchmal aus, nur um sicher zu gehen, dass sie zum Beispiel Bands wie Van Halen erkennt.

? Im Jahr 2009 hast du via iTunes einen Song mit dem Titel ‘I Believe Barack Obama’ veröffentlicht. Glaubst du, dass er im November wiedergewählt wird und unterstützt du ihn persönlich diesmal genauso, wie du es damals getan hast?

JM: Das Gefühl, als er 2008 gewonnen hatte kann und wird sich nicht mehr wiederholen. Jeder, mich eingeschlossen, hatte seine Hoffnung und Träume auf ihn projiziert. Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, wurde natürlich schnell klar, dass auch er einfach nur ein weiterer Präsident ist, der nicht perfekt ist. Ich bin aber immer noch ein großer Unterstützer von ihm und sehe das alles eher realistisch. Im historischen Zusammenhang wird seine Präsidentschaft immer als etwas unglaublich wunderbares hervorstechen. Vielleicht wird er die kommende Wahl aber auch einfach nur deshalb gewinnen, weil der republikanische Kandidat so dermaßen schrecklich ist. Wenn es aber eine Sache gibt, die zumindest einige Amerikaner gelernt haben, dann die Tatsache, dass wir so oder so am Arsch sind. Viele dachten durch Obamas Wahl wird alles perfekt, wurde es aber nicht. Unsere Demokratie hat viele Fehler und trotzdem funktioniert sie. Ohne sie wäre dieses große Land mit seinen vielen Baustellen über die letzten fünfzig Jahre nicht die globale Supermacht geworden, die es ist. Wir müssen uns also daran gewöhnen. Leider tendiert ein wachsender Teil unseres Landes in eine äußerst rassistische und nationalistische Richtung. Wir kennen das Problem ja alle. Wenn man anfängt, für die eigenen Probleme Menschen verantwortlich zu machen, die anders aussehen, dann führt das zu nichts Gutem. Für mich ist Obama eine Person der Zukunft. Er wurde von einem Typen aus Kenia und einer Frau aus Kansas aufgezogen. Er hat also viele verschiedene Wurzeln. Ich glaube, nein ich weiß, dass die Menschen in zehn Jahren mehr wie er, als wie ich aussehen werden. Wir können also viel von ihm lernen. Er hat diese Last mit viel Anmut geschultert. Ich bewundere ihn immer noch. Vor kurzem habe ich ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung gesehen. Er war ziemlich süß und sagte, er habe nie versprochen ein perfekter Präsident zu sein. Was er aber versprochen habe sei die Tatsache, dass er jeden Tag morgens aufstehen werde, um das Beste zu geben, damit unsere Welt ein klein wenig besser wird. Und er merkte an, dass er dieses Versprechen gehalten habe. So etwas rüttelt mich immer noch wach. Viele Leute haben mich auf den Song angesprochen und gemeint, ich würde an Barack Obama glauben. Das ist aber nicht so. Er ist ja nicht der Weihnachtsmann. Ich glaube also nicht an ihn, sondern ich glaube ihm und das tue ich immer noch. Wenn er spricht, dann glaube ich ihm. Ich glaube, dass er alles gibt was er kann, für ein großes Land, das um seine Identität in dieser Welt ringt.

? Mit der nächsten Frage kommen wir zurück zur Musik. Viele Leute hofften ja schon lange auf eine Reunion von ‚Far‘. Dann kam sie und Kritiker witterten schnell finanzielle Interessen. Was mich allerdings viel mehr interessiert, ist das Gefühl, das du hattest, als du bei der ersten Show nach der Wiedervereinigung wieder auf der Bühne gestanden hast?

JM: Es war wunderbar. Um viel Geld ging es dabei ja sowieso nicht. Ich erzähl dir mal, wie das mit ‘Far’ so war. Das war ja schon eine lustige Angelegenheit, als wir noch das erste Mal zusammen waren. Die Leute dachten damals nämlich immer, dass wir größer sind, als wir tatsächlich waren. Was glaubst du, wie viele Platten wir von ‚Water and Solutions‘ verkauft haben? Rate mal, einfach nur so zum Spaß.

? Vielleicht 40 000 Stück?

JM: Du bist von allen bisher am nächsten dran. Wir haben 25000 Platten verkauft. Die Schätzungen der Leute beliefen sich aber regelmäßig auf 250000. Das passierte in Interviews die ganze Zeit. Wir haben immer darüber Witze gemacht, dass wir im Verhältnis, die am wenigsten verkauften Platten in Relation zu den meisten Fanseiten im Internet haben. Das Ganze war aber nie wirklich populär. Die Leute, die es liebten, liebten es einfach. Streng genommen waren es ja auch nicht alle, sondern nur ein paar, die nach einer Wiedervereinigung verlangten. Eben diese Leute waren es auch, die davon ausgingen, dass es eine große Sache werden würde. Mir war aber immer klar, dass es eben nicht das große Ding wird. Nichtsdestotrotz waren selbst einige innerhalb der Band ganz gespannt, ob es nicht vielleicht doch noch eine große Nummer werden könnte. Ich war ja immer viel auf Tour und wusste daher, dass es da draußen zwar mit Sicherheit ein paar eingefleischte Fans gibt, eine Wiedervereinigung aber mit Sicherheit kein Ereignis war, auf das die ganze Welt gewartet hat. Ich hatte bei der Geschichte also keine Erwartungen und konnte daher auch jede Sekunde genießen, die ich auf der Bühne stand. Ich liebe es einfach Krach zu machen und ich liebe die Songs. Wir hätten aber keine neue Platte aufnehmen sollen. An dieser Stelle muss ich auch ehrlicherweise sagen, dass ich das eigentlich nicht wollte. Ich wollte spaßeshalber ein paar kleine Konzerte spielen und zudem meinen Traum verwirklichen und mit der Band auf ein paar Festivals spielen. Ganz einfach, damit uns so viele Fans wie möglich hätten sehen können. Heutzutage dreht sich ja sowieso alles um Festivals, da sie die Ereignisse sind, zu denen jeder hingeht. Am Ende wurden wir von alledem aber wie immer etwas überrollt. Ohne dabei auf jemandem mit dem Finger zu zeigen, gab es ein paar von uns in der Band, die unbedingt berühmt werden wollten. Ich sage ja noch nicht mal, dass das prinzipiell etwas Schlechtes ist, der andere Teil von uns wollte aber einfach nur Spaß haben. Diejenigen, die vorhatten berühmt zu werden, wollten es aber noch einmal wirklich wissen. Die Platte entstand also aus einer Stimmung heraus, größer sein zu wollen, als sie meiner Meinung nach tatsächlich war. Trotzdem bin ich natürlich stolz auf die Platte und mag sie musikalisch sehr. Wenn ich sie mir heute anhöre, dann klingt sie nach ein paar Typen, die versuchen irgendwie miteinander auszukommen. Unsere beste Platte war sowieso ‘Water and Solutions’. Sie war der perfekte Querschnitt all unserer Persönlichkeiten und ist daher eine sehr besondere Platte, auf die ich sehr stolz bin und die ja sehr einflussreich war. Ich verkaufe sie daher auch nicht unter Wert, wenn ich aus heutiger Sicht feststelle, dass sie nie wirklich populär war und es wohl auch nie sein wird, schon allein deshalb, weil es sich dabei um die Musik von Außenseitern handelt. Das ist ja keine coole Musik, streng genommen ist sie sogar seltsam und verrückt.
Aber zurück zu deiner Frage nach meinem Gefühl, wieder mit ‘Far’ auf der Bühne zu stehen. An die ersten Augenblicke kann ich mich noch gut erinnern. Das war in einem sehr kleinen Club in ‘Pomona’, einer Stadt bei Los Angeles. Kein großer Ort. Das Konzert war nicht ausverkauft, aber das Publikum war der Hammer. Die Leute waren voll dabei. Ich werde das nie vergessen. Jede Minute auf der Bühne zu stehen und zusammen mit den Leuten zu schreien war großartig und wird auch immer großartig bleiben.

? Stichwort: ‚Emo.‘ Bist du genervt von dieser Bezeichnung, oder geht das schon klar?

JM: Um ehrlich zu sein, war ich immer irgendwie dankbar dafür, wenn sich jemand einen Dreck um meine Ideen geschert hat. Mich hat es nie wirklich berührt, ob man meine alte, oder neue Band mochte oder nicht. Es war mir auch egal, wenn man mich als Emo bezeichnete. 1996 gab es einen Artikel mit einem kleinen Foto von mir im ‚Kerrang‘ Magazin. Darin wurde ich als der ‚The King of Emo‘ bezeichnet. Anno 1996 kannte aber noch niemand diesen Begriff. Die Leute riefen mich daher buchstäblich an um nachzufragen, was ‚Emo‘ überhaupt bedeute. Ich wurde also als etwas tituliert, von dem niemand so recht wusste, was es eigentlich war. Im Jahr 2000 oder auch 2001 stand dann ein Kid im Publikum, das wirklich betrunken war. Ich habe ihn von der Bühne aus angesprochen und gefragt, was er hier eigentlich genau macht. Er antwortete: „I love tequila and I love emo.“ Ich habe dann umgehend folgende Ansage gemacht: „Liebes Publikum, diesen Tag solltet ihr euch rot im Kalender anstreichen, denn genau ab heute kann man sagen – Emo is dead.“

? Bitte verrate mir deine ‚all time favorite top three records‘.

JM: Erst mal wären da ‚Physical Graffiti‘ von Led Zeppelin und ‚Sign ‘O’ the Times‘ von Prince. Wir sprechen hier ja schließlich über Lieblingsplatten und nicht über die Besten. Den ‚Sign ‘O’ the Times‘ ist nicht sein bestes Album, aber meine Lieblings-Prince-Platte. Und dann auf jeden Fall noch Miles Davis ‚In A Silent Way‘.

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Bier, Barbecue und Rock’n’Roll gelten gemeinhin als drei Zutaten für einen gelungenen Abend. Wenn dann noch Fußball auf dem Plan steht, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Dass dachten sich wohl auch Mr.Hughes und seine Kollegen der ‚Eagles of Death Metal‘, als sie sich auf den Weg machten, um im White Trash alte Freunde zu besuchen um gemeinsam mit ihnen einen in jeder Hinsicht deftigen Abend zu erleben. Die Gelegenheit nutzten wir natürlich und baten einen sichtlich entspannten Rocker kurz nach Beginn der ersten Halbzeit im Spiel Deutschland gegen Dänemark zum Gespräch, bei welchem dieser eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass er auch abseits der Bühne ein höchst unterhaltsamer Zeitgenosse ist – von seinen düsteren Polit-Visionen natürlich mal abgesehen.

 

? Spielst du lieber familiäre Club-Gigs, oder haben es dir große Open-Air Bühnen mehr angetan?

 

Jesse: Das sind zwei ganz unterschiedliche Angelegenheiten. Ich persönlich glaube, dass ‘Eagles Of Death Metal’ besser in einen kleinen intimen und rappelvollen Club passen. Andererseits liebe ich es, wenn die Leute mich lieben. Je mehr Leute also da sind, die mich lieben, desto größer wird mein Schwanz.

 

? Spiegeln die poppige Seite von Boots Electric und die rockigen Töne der Eagles Of Death Metal zwei Seiten deiner Persönlichkeit wieder?

 

Jesse: Wenn man sich ein Wochenende frei nimmt, um auf Kokain zu sein, dann ist das wie Boots Electric. Es ist also quasi mein Wochenende, an dem ich meilenweit entfernt auf Kokain bin.

 

 

? Wie wichtig ist Selbstironie im Rock’n’Roll?

 

Jesse: Musik muss man immer ernsthaft betreiben, aber man sollte sich dabei nie zu ernst nehmen. Schließlich handelt es sich dabei nur um Show-Business. Alles was wir da tun ist keine richtige Arbeit. Es mag zwar nützlich erscheinen, ist im Endeffekt aber nur ein spekulatives Produkt. So etwas kann man nicht ernst nehmen. Was man dabei aber im eigentlichen Sinne tut, dass muss man immer ernst nehmen. In meinem Fall dreht es sich dabei ums Unterhalten. Das bedeutet im Klartext: Bis alle Leute eine gute Zeit haben, schüttle ich meinen Schwanz so hart wie ich nur kann.

 

? Warum trägst du den Spitznamen ‚The Devil‘?

 

Jesse: Du bist einer der Ersten, der mir diese Frage stellt. Das war ein ironischer Spitzname in der High-School. Ich war ziemlich klein und auf mir wurde viel herumgehackt. Dadurch wurde ich zu so etwas wie einem Super-Nerd. Ich arbeitete als Hilfskraft in der Bücherei und bei der Leitung des Sprachdepartments. Bei der Bücherei war ich dafür verantwortlich, die Highschool-Daten der Mitschüler in einen Computer einzugeben, damit sie sich zügig fürs College bewerben konnten. Hatte jemand also vorher auf mir rumgehackt, konnte ich ihn jetzt ganz schön alt aussehen lassen. Das konnte Wartezeiten von bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Josh nannte mich daher eines Tages ‚the goddamn devil‘. Und ja, ich war tatsächlich ziemlich böse. Ich hielt es ganz einfach für eine angemessene Antwort auf die Tyrannei, die mir in meinem Alltag auferlegt wurde.

 

? Du hast einen Abschluss in Journalismus. Welche Zeilen würdest du als Überschrift über einen autobiographischen Artikel setzen?

 

Jesse: Ein genialer Junge wird erwachsen um fantastische Dinge zu tun, was seine Mutter unendlich stolz macht.

 

? Die Veröffentlichung des letzten Eagles of Death Metal Albums ist schon eine Weile her. Wann können die Fans mit Nachschub rechnen?

 

Jesse: Ich bin froh verkünden zu können, dass Joshua und ich gerade dabei sind ein neues Eagles Album aufzunehmen. Boots Electric hat mich davor etwas eingespannt, was ich aber auch sehr genossen habe. Jetzt sind wir wieder heiß auf etwas Neues. Das neue Eagles Album wird daher noch geiler und hat einen noch größeren Schwanz als die letzte Platte.

 

? Wie hilfreich war in puncto Bekanntheitsgrad die Äußerung von Axl Rose, als er euch ‘Pigeons of Shit Metal’ bezeichnete?

 

Jesse: Axl Rose ist verantwortlich für meine Karriere. Dieses kleine bisschen an Aufmerksamkeit hat nun schon eine Halbwertszeit von ein paar Jahren.

Um ehrlich zu sein, kann ich Axl Rose aber nicht wirklich die Credits dafür geben, da sie eher an Dave Grohl gehen müssten. Axl Rose gab einem großartigen Mann einfach eine Gelegenheit etwas für einen Freund tun zu können.

 

? Du machst keinen Hehl daraus, dass du sehr dankbar bist das tun zu dürfen, was du tust – also auf Tour zu sein, Platten aufzunehmen und Rock’n’Roll zu spielen.

 

Jesse: Ich kann dir ein Beispiel dafür geben, wie wundervoll das alles tatsächlich ist. Damals habe ich gerade eine schwierige Zeit durchgemacht, steckte mitten in einem Sorgerechtsstreit um mein Kind. Ich war gerade auf einer Presse-Tour durch Europa, als ich eines Nachts gegen vier Uhr morgens in Berlin ankam. Wally ist dann um diese Uhrzeit aufgestanden, hat mir in der Küche ein Steak gebraten und stand mir in dieser emotional schwierigen Zeit bei. Das ist Rock’n’Roll und die Art wie ich lebe. Wenn ich hierher komme, dann ist hier ein guter Freund mit Einfühlungsvermögen, der mir zuhört, mich ablenkt, um mich dann gegen sieben Uhr morgens in ein Taxi zu setzen, dass mich zum Hotel zurückbringt. Das gab mir die Kraft den nächsten Tag ohne peinlich emotionale Ausbrüche durchzustehen. Das ist es, was Rock’n’Roll meiner Meinung nach ausmacht und deswegen bin ich der glücklichste Motherfucker, den man sich vorstellen kann. Amen.

 

? Wann ist der Punkt erreicht, an dem man die Bühne verlassen sollte, bevor es peinlich wird?

 

Jesse: Die Götter des Rock werden es dir sagen. Wenn man der Musik treu bleibt, dann sagt dir die Musik, was du tun sollst. Einfach das machen, was schon Neil Young oder auch John Lee Hooker getan haben. Man muss also einfach auf die Musik hören. Selbst die alten Herrschaften tun ja, was sie noch tun können und es klingt immer noch gut.

 

? Wann hast du das letzte Mal mit Josh Homme telefoniert und worüber habt ihr gesprochen?

 

Jesse: Das war vor einer halben Stunde und wir haben uns über die gestrige Show unterhalten. Er hatte sich gerade Sachen angehört, die ich für die neue Platte aufgenommen habe. Das ist einfach Freundschaft und wir sind wie die Kinder. Mit ihm habe ich die coolsten Unterhaltungen. Es fühlt sich immer an, als ob wir für immer Kinder sein können.

 

? Du sammelst jetzt schon ein paar Jahre Erfahrungen im Musik-Zirkus. Da trifft man doch sicher auch auf viele Idioten, oder?

 

Jesse: Aber ja. Ich habe da allerdings großes Glück gehabt, da ich mich auch geschäftlich nur mit Leuten abgeben muss, mit denen ich mich auch abgeben will. Ich würde mit einem Arschloch keine Geschäfte machen. Schon meine Mutter hat mir beigebracht, nichts darauf zu geben, was ein Arschloch denkt. Wenn mich Slobodan Milošević nicht mögen würde, dann wäre das großartig.

 

? In den USA stehen im nächsten Jahr die Präsidentschaftswahlen an. Wer wird es deiner Meinung nach schaffen: Obama oder Romney?

 

Jesse: Man wird einen Durchmarsch der Republikaner erleben, wie man ihn seit Ronald Reagan nicht mehr erlebt hat. Es wird eine große Niederlage geben und man wird Demokraten erleben, die über Nacht zu rechts-außen Extremisten werden. Ganz einfach, weil Obama so ein Widerling ist, der sich in unserem Land selbst demontiert hat. Man bekommt nämlich nichts geschenkt, sondern muss dafür arbeiten.

 

? Gibt es irgendetwas, das du am Ende des Interviews noch loswerden möchtest?

 

Jesse: Ladies, ich liebe euch. Wenn ihr irgendetwas braucht, meldet euch einfach bei mir. Meine E-Mail Adresse lautet: everhugh@yahoo.com (Anm. d. Autors: ohne Gewähr auf Richtigkeit). Solltet ihr mir schreiben, werde ich euch persönlich antworten.

 

? Vielen Dank für das Interview.

 

Jesse: Danke dir.

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Nein, eine Supergruppe sind sie nicht. Angesprochen auf die Titulierung antwortet Frontmann Jeff Clarke eher mit einer Mischung aus Achselzucken und Belustigung. Dabei wäre es gar nicht so abwegig, diese Kapelle als solche zu bezeichnen. Benannt nach einer Single von Demon’s Claws vereinen sich hier unter dem Namen Hellshovel schließlich Mitglieder diverser kredibieler Bands der Sorte ‚gut sortierter Plattenschrank‘.

Als ob das nicht schon genug wäre, hatten zudem noch Bloodshot Bill und King Khan ihren Anteil an der Sache. Wie groß der genau war, welche Rolle psychedelische Drogen bei der Entstehung der Songs spielen und warum er wohl nie wieder Teppiche ausliefern wird, verriet uns Mr. Clarke bei einem äußerst sympathischen Gespräch in der Raucher-Lounge des White Trash, nur wenige Stunden bevor er zusammen mit seiner Band auf der kleinen Bühne im Restaurant ein furioses Garagen-Feuerwerk zündete.

? Was ist mit Hellshovel anders, als bei Demon‘s Claws?

Jeff Clarke: Die Songs sind anders und das Touren einfacher. Das Ganze hat mehr den Charakter eines Soundtrack-Projektes, das sich in eine richtige Band verwandelt hat.

? Vom Projekt zur Band also?

Jeff Clarke: Ja, ich glaube mittlerweile ist es eine richtige Band. Das hat sich so entwickelt. Alles fing ja nur mit ein paar Aufnahmen an, als quasi Rechtfertigung, um mit den anderen Jungs auf Tour gehen zu können.

? Was war die Initialzündung für die Gründung von Hellshovel?

Jeff Clarke: Es ging um die Idee überwiegend instrumentalische Film-Soundtracks zu kreieren. Außerdem konnte Demon‘s Claws nicht auf Tour gehen, daher wollte ich das mit den anderen Jungs machen. Wir nahmen also Songs auf und veröffentlichten ein paar Singles. Dann kam Dale dazu. Zusammen schrieben wir mehr und mehr Stücke, bis wir Material für ein ganzes Album hatten. Es entwickelte sich also nach und nach und war schließlich das, was es heute ist.

? Auf eurer Myspace-Seite steht unter der Rubrik ‚Klingt Wie‘ unter anderem ‚Whale Noises‘ und ‚Crossing the street‘. Kannst du das näher erläutern?

Jeff Clarke: (lacht) Das hat sicher Dale reingestellt.

? Auch der Name von ‚Olive Cromwell‘ steht dort geschrieben. Was hat es damit auf sich?

Jeff Clarke: (lacht laut) Das ist wohl auch auf Dales Mist gewachsen.

? Es wird noch besser: Unter Einflüsse findet man den Eintrag ‚mist and fog‘.

Jeff Clarke: (lacht noch lauter) Vielleicht beschreibt das die Dinge, die Dale momentan so im Kopf herumschwirren.

? Ende Mai veröffentlicht ihr mit ‚Hated by the Sun‘ eurer neues Album. Bitte beschreibe die Platte in drei Sätzen. Was würdest du sagen um mich vom Kauf der Scheibe zu überzeugen?

Jeff Clarke: Sie klingt, als ob sie mit einem Ghetto-Blaster aufgenommen wurde. Es hat außerdem auch zwei Jahre gedauert, um sie aufzunehmen, wofür es aber absolut keine Entschuldigung gibt. Wir sind glücklich über das Ergebnis, da die Songs genauso klingen, wie sie es auch sollen.

? Was ist die Geschichte hinter dem Song ‚The Rise and Fall of Darth Maul‘?

Jeff Clarke: Das ist einfach ein verrückter Titel, wie wir sie unseren Stücken gerne geben. Der Song klingt nach Science-Fiction. Beim Hören kam mir ständig Darth Maul in den Sinn – also sein Aufstieg, bis zu dem Punkt wo er in zwei Hälften geteilt wird. Ich musste bei dem Stück aber auch an Star Trek denken. Daher passt der Titel gut.

? Die Single ‚summers over‘ kam damals im Package mit einer 3D Brille in die Regale. Ein Zugeständnis an den Fortschritt, oder doch eher Retro-Bekenntnis?

Jeff Clarke: Wahrscheinlich beides. Fortschritt und Retro. Ich glaube aber, die Brillen funktionieren nicht mal.

? Inwiefern?

Jeff Clarke: Wenn man sie aufsetzt stellt sich der gewünschte Effekt nicht ein. Zum Glück merken das die Leute aber erst, wenn sie schon zuhause sind. Man sollte sie also lieber gleich in der Plastikverpackung lassen.

? Wie wichtig sind psychedelische Drogen bei der Entstehung eurer Stücke?

Jeff Clarke: Überraschender Weise spielen die überhaupt keine große Rolle. Ich glaube, dass haben wir in unserer Jugend schon reichlich ausprobiert. Wahrscheinlich schimmert das immer noch durch. Das psychedelische Element in unserer Musik ergibt sich einfach aus dem Umstand, dass wir nicht wissen, wie man richtig spielt.

? Werden auf der neuen Platte versteckte satanische Botschaften zu finden sein?

Jeff Clarke: Vielleicht ja, vielleicht nein. Das ist schwierig zu sagen. Ein Song geht in Richtung ‚dungeon and dragon‘, was ja aber auch nicht explizit satanisch ist.

? Wie wichtig ist euch bei allem was ihr tut der DIY Aspekt?

Jeff Clarke: Sehr wichtig. Deswegen hat es diesmal ja auch so lange gedauert. Wir haben schlicht und ergreifend fast alles selber gemacht. Ich habe mich zum Beispiel um die komplette Abmischung gekümmert. Das lief so, dass wir erst die Bassspuren in einem Studio aufgenommen, die Gesangparts im Anschluss aber wieder zuhause eingesungen haben.

? Klingt nach klassischem ‚Home-Recording‘

Jeff Clarke: Genau das war es unter vielen Gesichtspunkten auch. Manchmal klingt es dadurch etwas merkwürdig. Ich habe die Dinge beim Mixen manchmal nicht so gemacht, wie sie ein Profi gemacht hätte, sondern so, wie ich es wollte. Manche Stücke kommen auch ganz schön ‚trashy’ daher, ganz einfach weil ich es nicht anders hinbekommen habe. Dazu kamen noch Probleme mit der Technik. Manchmal wurden Dinge auch aus Versehen gelöscht. Da ich die Dateien nicht nummeriert hatte, war es oft ohnehin schier unmöglich, etwas wiederzufinden, was manchmal ganz schön frustrierend war.

? Ist Hellshovel eine ‚super-group‘?

Jeff Clarke: Wohl eher nicht.

? Über genau diese Bezeichnung bin ich bei meiner Recherche aber gestolpert. Schließlich bist du ein Teil von Demon‘s Claws und auch King Khan scheint bei Hellshovel ja seine Finger mit im Spiel gehabt zu haben.

Jeff Clarke: Vielleicht ist ja King Khan der Grund für diese Bezeichnung, vielleicht stammt sie ja sogar von ihm. Ich denke ja nicht so, aber es ist schon eine schöne Vorstellung, wenn uns manche Leute als ‚super-group‘ wahrnehmen.

? Was war die Funktion von King Khan?

Jeff Clarke: Ich glaube nicht so viel. Er war einfach da – als Kreativer.

? Und wie verhält es sich mit Bloodshot Bill?

Jeff Clarke: Der spielte Schlagzeug auf der Platte und ein paar Konzerte mit uns. Er macht ja aber sein eigenes Zeug, daher war klar, dass er nicht ewig bei uns sein würde.

? Wer kümmert sich bei euch ums Artwork?

Jeff Clarke: Das Cover der neuen Platte stammt von mir. Poster, T-Shirts und auch die 7“ mit der 3D-Brille als Beigabe kam von meiner Freundin. Sie ist Zeichnerin. Ich stelle mich da eher dumm an. Das letzte Albumcover war aber wie gesagt ein Fotoprojekt von mir.

? Wo überall auf der Welt verteilt wohnen eigentlich die Mitglieder von Hellshovel?

 Jeff Clarke: Dale lebt hier in Berlin. Ich bin von Montreal nach Toronto gezogen. Simon, unser Bassist, ist aus Paris und wir haben einen israelischen Schlagzeuger.

? Verrate mir bitte deine ‚all time top three records‘?

Jeff Clarke:   Waylon JenningsLonesome On`ry and Mean’,

Moetley Crue ‘Theater of Pain’,

Joan Jett and The Blackhearts ‚I Love Rock and Roll‘,

I Love Rock and Roll war gleichzeitig auch die erste Scheibe, die ich mir gekauft habe. Mir gefällt aber so ziemlich alles – ich kaufe nicht mal Platten, sondern schaue viel Fernsehen.

? Brauchst du neben der Musik noch Jobs, um dir den Lebensunterhalt zu verdienen?

Jeff Clarke: Ja. Ich habe da schon viele verschiedene Sachen gemacht. Bis vor kurzem habe ich Teppiche für eine fette griechische Frau und ihre lesbische Tochter ausgeliefert. Allerdings nur solange, bis sie mich rausgeschmissen haben, weil ich Teppiche im Wert von 3000 Dollar an der Laderampe vergessen hatte. Ich dachte, die Dinger lägen schon im Wagen. Ich kam also zurück und wurde von ihnen für die Fuhre bezahlt, aber zehn Minuten später haben sie mich dann angerufen und meinten, da wären keine Teppiche im Wagen.

? Klingt wie die Szene aus einem Film.

Jeff Clarke: Am Telefon haben sie dann angefangen mich anzuschreien. Ich mag es aber nicht besonders, wenn man mich anschreit. Ich habe ihnen also gesagt, sie sollen ihre Teppiche doch einfach selbst dort abholen. Als nächstes habe ich in einem veganen Restaurant gearbeitet. Es war das erste Mal, dass ich überhaupt in einem Restaurant gearbeitet habe und es war ziemlich aufreibend. Wenn ich eine Karotte schneiden sollte, sah es hinterher so aus, als hätte ich sie einfach totgeschlagen. Das war gar nicht gut. Die Leute waren mir dort aber zum Glück wohlgesonnen.

? Danke für das Gespräch.

Jeff Clarke: Danke Dir.

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HGich.T machen Furore – im Netz und auf der Bühne. Dort nämlich wird die Truppe aus Hamburg derzeit frenetisch abgefeiert. Dabei überschreiten sie prinzipiell sämtliche Geschmacksgrenzen und strapazieren so Augen und Ohren von Fans und Kritikern. Und während sich letztere verstört abwenden, erhöht sich die Zahl der virtuellen wie realen Anhänger stetig.

Live wie im Video trägt Frontraver Tutenchamun dabei schon mal gern eine Windel, Dr.Diamond mimt den Herrn in Uniform und die schöne Maike kommt mit zum Mofa-Ritt. Der Gesamtkosmos des Phänomens HGich.T bleibt dabei stets schwer zu fassen. Zu verworren, vielschichtig und gleichzeitig oberflächlich erscheint das musikalische, wie optische Konzept dieser Truppe. Ob sie dabei nun als Band, Performance-Gruppe, Künstlerkollektiv oder musikalisches Reality-TV gesehen werden ist nebensächlich, oder um die Worte des Mitglieds Marc Alexander zu zitieren:“ Die Realität ist, dass wir wissen, dass hier keiner lebend raus kommt.“

Kurz bevor sie ihr Party-Publikum im White Trash an den Rand des Wahnsinns und der Dehydrierung treiben werden, versammeln sich Tutenchamun, Die schöne Maike, Mark Alexander, Dr.Diamond und Karla vor unserem Mikro, um höchst motiviert ihre Sicht der Dinge zu Protokoll zu geben.

Es folgen O-Töne, angesiedelt irgendwo zwischen Dada, Gaga und herrlich sympathischem Nonsens – kleines Journalisten-Bashing inklusive.

 

?: „Die Dummen gehen zur Arbeit, die Schlauen pennen aus.“  Ist das so?

Tutenchamun (TEA): Also da schlau nichts mit dumm zu tun hat, passt das schon.

Dr.Diamond: Das besagt ja nur, dass man frei ist.

Die schöne Maike (DsM): Ich würde sagen, dass kommt immer darauf an, was man vor hat.

TEA: Klug ist eher temporär und schlau ist so ein bisschen mehr. Dann passt das schon.

?: Euer Bandkürzel heißt angeblich „Heute geh ich tot.“ Was muss man sich darunter vorstellen?

DsM: Oder eben: „Hammergeil, ich Tattoo.“

Karla: Oder „Hiermit grüße ich Tante Thomas.“

?: „Heute geh ich tot“ ist somit falsch?

TEA: Also „Hammergeil, ich Tattoo“ kommt daher, weil ich mir mal ein Tattoo auf die Stirn machen lassen wollte, aber es nie getan habe. Dann ist es beim Bandnamen geblieben.

Dr.Diamond: Wenn du das Album hörst, dann weißt du, wie man zu der Interpretation kommt, die in den Zeitungen überall ausgebreitet wurde. Also auch deine Interpretation, die von einer Zeitung zur nächsten geht, die aber niemals von irgendwem in der Form behauptet wurde.

?: In einem Interview, dass ich gelesen habe, habt ihr gesagt, dass diese Interpretation schon klar geht.

Dr.Diamond: Das haben wir so nie gesagt.

?: Das war meines Erachtens im Interview mit ARTE.

Dr.Diamond: Ja aber, dass war genau dieselbe Aussage. Die Leute interpretieren dass so, wegen des Songs. Der hat ja eine eher depressive Grundstimmung und daher kommt auch die Interpretation.

Marc Alexander: Ich leide unter extremen Depressionen und bin extrem Suizid gefährdet und daher habe ich mir das ausgedacht.

?: Also haken wir das unter schlechter Recherche ab?

DsM: Mach dir da jetzt nichts draus. Wenn wir sagen das geht klar, dann geht das klar, wie auch alles Andere.

Dr.Diamond: Das haben wir aber nicht gesagt.

TEA: Das ist aber eine interessante Frage, ob, wenn Leute viel Müll schreiben, eine gute Recherche möglich ist.

DsM: Eine gute Recherche ist prinzipiell immer möglich. Man muss nur ein bisschen Zeit und Mühe investieren und dann geht das schon. Und das kriegt man auf die Dauer auch irgendwann hin, man muss nur dran bleiben, weißt du.

Dr.Diamond: Leute, die richtig viel Zeit und Mühe investieren, hören dann aber wahrscheinlich auch das Album, dann denn Song und denken sich: Ach natürlich, heute geh ich tot, ist doch’ne völlig klare Sache.

Marc Alexander: Das heißt, dass es einem dann plötzlich logisch erscheint, oder so.

DsM: When you assume you’re making an ass out of you and me.

?: Nächste Frage: Würdet ihr zustimmen, wenn man euch als musikalisches Reality-TV bezeichnet?

Dr.Diamond: Nein

Karla: Ja

DsM: Vielleicht. Ich denke darüber nach. Ich muss das erst mal sacken lassen.

?: Beschreibt bitte eure Realität in drei Worten.

Karla: Hunger, Durst.

TEA: Kacken.

Marc Alexander: Das macht doch jeder Mensch. Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Die Realität ist, dass wir wissen, dass hier keiner lebend raus kommt.

?: Ein hartnäckiges Gerücht besagt, dass bei einem Konzert in Berlin mal jemand aus dem Publikum von euch geohrfeigt worden sein soll. Stimmt das und wenn ja warum?

DsM: Er war allerhöchstens im Weg einer Handfläche.

TEA: Warum ist das denn nur ein vages Gerücht?

Karla: Also ich hab schon voll viel Ohrfeigen verteilt, weil mir die manchmal an den Arsch krabbeln.

TEA: Ich hab mal einen richtig doll gehauen, weiß aber nicht mehr, was er getan hat.

?: Und was hat das Publikum heute zu erwarten?

Dr.Diamond: Wir reden hier nicht von so einer Künstler-Quatsch-Ohrfeige, dass man also geohrfeigt wird, weil ein Künstler anwesend ist, der einen auf Skandal machen will. Ich würde sagen, dass sind völlig konkrete und ganz normale Anwendungen des Menschenverstandes in der jeweiligen Situation.

Marc Alexander: Das ist ein ad hoc Reflex.

Dr.Diamond: Das Publikum kommt ja auch nicht mit weißer Weste und unbeschriebenen Blättern.

Marc Alexander: Der war zur falschen Zeit am falschen Ort. Ganz richtig.

?: Adlon der Aldi?

 DsM : Adlon dann natürlich. Also das Hotel.

Marc Alexander: Adlon oder was?

?: Adlon oder Aldi?

Karla: Wie entscheiden?

TEA: Also arbeiten würde ich lieber bei Aldi, als bei Adlon. Ich glaube die zahlen besser.

Karla: Ich verstehe die Frage nicht. Adlon ist doch ein Hotel, habt ihr gesagt und Aldi ist ein Supermarkt.

Dr.Diamond: Der Vergleich hinkt.

?: Der Vergleich hinkt?

DsM: Man kann sehr gut auch immer Äpfel mit Birnen vergleichen und verschiedene Dinge anbieten. Man kann auch sagen, was hättest du irgendwie lieber, Fußball oder Apfelschorle?

Dr.Diamond: Fußball.

DsM: Oder du sagst irgendwie Daunenbettdecke, oder Pony. Da muss man sich schon entscheiden. 

Dr.Diamond: In der aktuellen Situation gibt es vielleicht etwas, dass einem näher liegt.

Karla: Ist ja auch viel interessanter, wie wenn man Sachen zur Entscheidung stellt, die naheliegend sind. Jetzt wo ich mir das überlegt habe, sage ich Aldi.

DsM: Ja, da kommen wir nicht zusammen. Schade.

?: Was müsste ich machen, um mich bei euch erfolgreich zu bewerben? Was muss man anstellen, um bei euch aufgenommen zu werden?

TEA: Ich finde, du müsstest die Frage beantworten, wo du eher arbeiten würdest, im Adlon oder bei Aldi?

?: Ich?

TEA: Ja und warum?

DsM: Das ist doch egal jetzt.

Karla: Wie du mitmachen kannst? Da musst du wahrscheinlich über Igor.

TEA: Ja.

?: Igor ist wer?

Karla: Igor Amore.

DsM: Mit dem musst du schlafen.

Karla: Wahrscheinlich.

DsM: Könntest du dir das vorstellen?

?: Große Hürde.

DsM: Meinst du, weil der ist echt  süß. Der hat bestimmt ganz weiche Lippen.

Karla: Witzig bei Igor ist, der geht rum um die Mädchen, dann malt er sie an und dann küssen sie ihn.

?: Gute Taktik.

DsM: Das wirst du heute auch sehen.

?: Definiert doch mal bitte: „Auf die Kacke hauen“.

Karla: Voll eklig.

DsM: Die Sau rauslassen. Ich finde die Frage gut.

Marc Alexander: Ich finde, dass fällt unter die Kategorie schlechte Sprichwörter.

Dr.Diamond: Kacke, dass ist einfach schlichtweg nur Darmentleerung.

DsM: Ja aber mich würde mal interessieren, wo das herkommt. Sprichwörter haben ja aller irgendwie einen Ursprung aus irgendetwas. Das ist ja nicht einfach irgend so ein Bild, sondern das kommt ja irgendwo her.

Karla: Vielleicht hat irgendwer mal voll auf die Kacke gehauen und so richtig viel Spaß dabei gehabt. Ich glaube die Kacke haut man auf den Donnerbalken. Hi,Hi,Hi.

DsM: Na das werde‘ ich mal im Internet recherchieren und zwar mit viel Zeit und Mühe.

?: Empfehle hierfür ein etymologisches Wörterbuch.

DsM: Das mache ich. Dankeschön. Danke für die Anregung.

?: Gerne. Nächste Frage: Euer Hobby: Arschloch (Anm.d.Autors: In Anspielung auf den Titel der aktuellen Platte – Mein Hobby: Arschloch). Habt ihr noch andere Hobbies?

Karla: Saufen. Also ich.

Dr.Diamond: Ja das stimmt.

DsM: Ich fahre gern Fahrrad.

Marc Alexander: Unser Hobby ist glaube ich schlichtweg gegen den Strom schwimmen.

TEA: Party und Sport. Die Leute, die bei Sport an was anderes denken, die haben echte Probleme.

DsM: S.E.X haben.

Karla: Damit er mal mitmachen kann.

?: Ich bin ein paar Mal auf die Formulierung gestoßen, dass ihr die Gesellschaft gerne ‚entkonditionieren‘ würdet. Was heißt das genau?

Marc Alexander: Eine zivilisatorische Entkonditionierung entsteht durch Rausch und zwar Rauschkonsum. Erst dadurch lösen sich deine Ängste. Am besten ist sozusagen, ich sag mal, wenn man das Leitungswasser mit LSD verdünnt. Das ist das Ideale.

?: HGich.T. Ist das Kunst oder Krempel?

DsM: Das ist wieder so wie die Adlon Frage.

TEA: Farben, also eher Krempel.

Karla: Ich bin eine schöne Künstlerin.

Marc Alexander: Das ist Punk. Schlichtweg Modern Punk, oder Post Punk.

Dr.Diamond: Dada Punk. Ich bin Dadaist, ich stelle alles in Frage.

?: Was ist die Aussage hinter dem Song ‚Künstlerschweine‘?

Dr.Diamond: Künstler sind Parasiten.

TEA: Ich weiß nicht, ob es der Wahrheit entspricht, da ich nie auf seriösen Quellen recherchiert habe, aber es gab mal einen linken Club in Leipzig, wo sehr engagierte, gute Menschen sehr böse auf uns wurden, weil sie besser informiert waren und wussten, dass die Herrscher des Dritten Reiches, die Nazis, mal gesagt haben sollen: “Judenschweine wir brechen euch die Beine.“ Und sich deshalb peinlich durch unseren Text daran erinnert gefühlt haben, was natürlich unsererseits keinerlei Absicht ist, sondern nur schlechte Recherche. Weil wir nicht recherchieren, sondern machen. Das ist eigentlich alles, was man dazu sagen kann.

Dr.Diamond.: In einer Kleinstadt im Westen gab es mal einen Zeitungsartikel, da stand, dass jemand den, wie nennt man das noch mal, vom Lied den wichtigsten Text?

Marc Alexander: Hauptprovokation, oder Eigenverarsche. 

Dr.Diamond: Die Hauptlyrik des Liedes, also der Satz ‚Künstlerschweine wir brechen euch die Beine‘, wurde auf eine Mauer gesprüht. War im Wohngebiet, da haben sich die Bürger beschwert. Erst war ein CDU Abgeordneter involviert in dieser Stadt, das war eine Kleinstadt, dann hat er entsprechend die Polizei motiviert mal vorbeizuschauen und die Polizei hat festgestellt, dass es sich um eine für die Sprayer frei gegebene Mauer handelt, die besprüht werden darf und der Satz sei grober Unfug aber nicht menschenverachtend und grober Unfug ist nicht strafbar.

?: Was wolltet ihr in einem Interview schon immer mal sagen, erzählen oder rauslassen, was ihr euch noch nie getraut habt? Band läuft, bitte jetzt.

Karla: Für die Menschen da draußen jetzt.

TEA: An die Menschen da draußen: Wenn ihr nichts habt, oder alles habt, dann bleibt euch immer noch Liebe und Humor.

DsM: Also ich, ich möchte gerne sagen, sucht euch keine falschen Vorbilder. Nur weil jemand schlank ist, lange Beine hat und ein Hollywood Star ist, ist er noch lange nicht glücklich.

?: Danke für das Interview.

DsM: Danke dir.

 

Sie sind unter uns. Wer genau? Na die Superhelden! Und damit meine ich keine gelben Engel, die drei Stunden für die Anfahrt brauchen, oder Götter in weiß, die das falsche Bein amputieren. Hier ist die Rede von richtigen Superhelden.Typen der Marke He-Man, Superman, Wonderwoman oder Schweinevogel.

Eine Liga zu der auch die Bondage Fairies gehören.

Benannt nach sexsüchtigen Manga-Geistern kommen ihre Kompositionen daher, wie die Buzzcocks als Arcade-Game. Dadelnd, stampfende Beats flirten hier mit kratzigen Gitarren und fluffig-poppigen Melodien.
Gute Musik, klar, aber soweit eben auch nichts ungewöhnliches, wären die Jungs von Bondage Fairies eben keine…..genau: Superhelden.
Ihre Musik ist Soundtrack für eine Metamorphose der besonderen Art. Kurz vor jeder Show verwandeln sich vier schüchterne Jungs aus Stockholm in Bee Bee Prime, Drummer Boy, Deus Deceptor und Elvis Creep – gemeinsam eine furchtlose Truppe im Kampf für das schwingende Bassbein.
Eine Mission, die sie auch an diesem Abend im Berliner White Trash mit Bravour absolvieren werden. Überhaupt scheint es so, als ob stetig mehr Normalsterbliche Fans dieser Supertruppe werden. Grund genug, sich in einer bitterkalten Februarnacht an die Schönhauser Alle durchzuschlagen um einen der Helden vors Mikro zu bitten.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich Elvis Creep kurz vor seiner Verwandlung in den hinteren Teil der Garderobe locken, um ihm Informationen über den kürzlich vollzogenen Label-Wechsel, russischen Ruhm und das Geheimnis der Super-Masken zu entlocken. Es folgt das Protokoll einer supernaturalen Begegnung….

?: Kann He-Man die Welt retten?

Elvis Creep: Natürlich. Er ist unverwundbar und zugleich der stärkste Mann im Universum. Nicht mal Superman würde das schaffen, aber He-Man kann das, da bin ich mir ganz sicher.

?: Hat Skeletor die Schlacht nicht schon längst gewonnen? Denkst du wirklich es gibt noch eine Chance für die guten Kräfte im Universum?

Elvis Creep: Natürlich gibt es die. Ich habe noch nie ein Folge ‘Masters Of The Universe’ gesehen, in der Skeletor den Sieg davonträgt.

?: Letztes Jahr habt ihr von Lobotom Records zu Audiolith gewechselt. Warum?

Elvis Creep: Ich würde Lobotom nicht als Plattenfirma bezeichnen. Das sind ein paar Leute, die vorgeben etwas zu sein.

?: War es so schlimm dort?

Elvis Creep: Ja, total. Zum Schluss führte einfach eins zum anderen. Wir sind jetzt zwar nicht verfeindet, trotzdem haben wir es aber als interessanter empfunden, zukünftig mit Audiolith zusammenzuarbeiten.

?: Audiolith ist ja auch ein guter Heimathafen für Bands eurer musikalischen Couleur.

Elvis Creep: Genau. Die meisten Bands auf Audiolith haben ja mindestens einen elektronischen Song im Repertoire. Wir passen da also ganz gut rein. Die Bands, die wir bisher kennengelernt haben, waren auch sehr nett zu uns.

?: Innerhalb der japanischen ‘Bondage Fairies’ Manga Reihe ist Sex ja ein großes Thema. Was für einen Stellenwert hat das Thema bei der Band Bondage Fairies?

Elvis Creep: Gar keinen. Wir machen Musik und nicht Liebe, daher ist das nicht so wichtig. Sex ist schließlich etwas Privates und etwas sehr Schönes,…wenn er gut ist.

?: Was war ausschlaggebend für die im letzten Jahr vollzogene Rekrutierung von Drummer Boy und Bee Bee Prime an der Gitarre?

Elvis Creep: Das werden wir oft gefragt. Das geschah eher zufällig und war nicht geplant. Wir brauchten einfach mehr Leute auf der Bühne, damit es mehr Spaß macht, sich das Ganze auch anzusehen. Je mehr man live spielen kann, desto besser ist man als Live -Act. Im Vergleich zu mir sind die beiden auch wirklich gute Musiker. Ich kann zwar gut komponieren, bin aber kein wirklich guter Performer. Bee Bee Prime und Drummer Boy aber machen das ganz gut.

?: Eure elektronischen Sounds kommen u.a. vom Commodore C 64. Würde sich ein Amiga 500 nicht auch gut dafür eignen?

Elvis Creep: Das stimmt so nicht ganz. Normalerweise werden die Sounds von einem oder mehreren Synthesizern produziert, aber natürlich mag ich die alten Computer-Töne und versuche es daher ähnlich klingen zu lassen. Es gibt überwiegend Amiga und Atari ST Samples. Aber ja, du hast schon auch recht – es sind auch ein paar vom Commodore C 64 zu hören.

?: Ab und an werdet ihr als ‘Super Mario Bros.’-Punks bezeichnet. Stört dich das?

Elvis Creep: Das ist mir eigentlich egal. Ich bin davon kein wirklich großer Fan mehr und bin dafür wahrscheinlich zu alt. Ich versuche Musik zu machen und keinen Hype um eine ‘Game-Chip-Sound-Music’ zu kreieren. Die ‘Chip-Sound-Music’, die richtig gut ist, ist die der ursprünglichen ‘Games-Score-Music’. Diese Komponisten sind einfach brillant. Sie haben verstanden, dass Melodien der Schlüssel zum Sieg sind. Nicht ganz einfach, wenn man nur vier Kanäle und nur geringen Speicherplatz zur Verfügung hat. Wir reden hier ja schließlich nicht über Megabytes, sondern eher über Kilobytes. Außerdem können alle guten Stücke aus der damaligen Zeit auf nahezu jedem Instrument nachgespielt werden und es klingt immer noch großartig. Heutzutage gibt es viele ‘Gameboy’-Bands, oder Gruppen, bei denen gerade mal ein Laptop auf der Bühne steht. Die stehen dann da oben und checken ihre E-Mails während des Konzerts und haben zwar die Sounds ordentlich programmiert, aber leider kein Talent.Wenn du mich fragst, dann klingt das dann einfach nur langweilig.

?: Was war bei euch die Initialzündung, elektronische Beats mit harten Gitarren zu verbinden?

Elvis Creep: Das Fehlen von Talent, Geld und Ausrüstung.

?: Wie wichtig sind die Masken und die damit verbundenen Alter Egos?

Elvis Creep: Wir schlüpfen so in unsere Rollen, daher sind sie schon ziemlich wichtig. Ich würde aber nicht so weit gehen, sie als Alter Egos zu bezeichnen. Für uns ist das nur ein Weg, unsere Gesichter zu verstecken. Das nimmt einem die Angst vor dem Publikum. Ich mag es nämlich eigentlich gar nicht, auf einer Bühne zu stehen. Für mich ist die Maske daher notwendig.

?: Braucht es im momentanen Musikbusiness eine Revolution?

Elvis Creep: Nein, ich glaube meine Meinung dazu ist eher langweilig. Natürlich braucht es immer wieder gute neue Songs, damit es sich lohnt weiterzumachen. Man sollte sich also anstrengen. Aber eine Revolution braucht es nicht. Überall auf der Welt wird gerade Dubstep gespielt. Für mich klingt das schon ein bisschen nach Revolution. In zwei Monaten gibt es dann vielleicht schon wieder etwas Neues.

?: Ihr habt viele Fans in Osteuropa und speziell in Russland. Gerade dort ist gerade sehr viel in Bewegung. Glaubst du, eure Musik passt gut zur momentanen Atmosphäre und ist deshalb so populär, oder hat das nichts miteinander zu tun?

Elvis Creep: Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, ich weiß, warum sie uns dort so mögen. Es heißt, wenn man ‘Bondage Fairies’ in den Google Translator eintippt, es ins Russische übersetzt und dann wieder ins Englische zurückübersetzt, dann bekommt man die Wörter ‘The Beatles’. Ich weiß zwar nicht, ob dieses Gerücht wirklich stimmt, aber das kann ein Grund für unsere Bekanntheit sein. Jedenfalls sind wir dort größer, als wir es eigentlich sein sollten. Schon als wir das erste Mal in Russland spielten, war richtig viel los. Sie müssen uns dort also entweder mit etwas Größerem verwechseln, oder aber auch einfach nur einen besonders guten, oder eben schlechten Musikgeschmack haben.

?: Gibt es einen Song, bei dem du uns besonders empfehlen würdest, auf den Text zu hören?

Elvis Creep: Fuck. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Lass uns die Frage hinten anstellen.

?: Ist ‘Bondage Fairies’ eine Konzeptband?

Elvis Creep: Nein, wir sind eine normale Band die Masken trägt. Wir haben mit Manga oder so etwas nichts zu tun. Fuck, ich komme hier ganz schön langweilig rüber.

?: Ihr habt in einer Dead-Drops Aktion USB-Sticks mit Songschnipseln in mehreren Städten verteilt und die Leute aufgefordert danach zu suchen. Langweilig geht anders.

Elvis Creep: Das hat eigentlich überall ganz gut funktioniert, nur in Oslo haben sie das Ding geklaut. Der Typ, der für die Platzierung verantwortlich war, hat also noch einen Stick versteckt, der aber auch wieder gestohlen wurde. Ansonsten haben sich die Leute das Material aber gezogen und anschließend auf der dafür vorhergesehenen Seite hochgeladen. Eine lustige Idee, die auf den Künstler Aram Bartholl zurückgeht. Für mich persönlich hat das allerdings irgendwie den Touch eines umgedrehten ‘Glory-Holes’. Ich würde nie einen Stick, den ich in einer Hauswand erspähe, in meinen Laptop stecken, nur um zu sehen, was drauf ist. Manche fanden das aber zum Glück interessant und wir sind froh, dass sie mitgemacht haben. Es war aber wie gesagt die Idee von Aram. Daher will ich mir hier auch nicht die Lorbeeren dafür anheften. Eine großartige Idee. Wäre ich fünf Jahre jünger, hätte ich sie geliebt.

?: Warum sollte man die neue ‘Bondage Fairies’ Platte überhaupt kaufen?

Elvis Creep: Sie ist günstig und hat außerdem ein sehr schönes Cover.

?: Und die darauf enthaltene Musik bietet keinen Kaufanreiz?

Elvis Creep: Die Musik ist besser als auf den anderen Alben, schließlich ist es unsere aktuellste Veröffentlichung.

?: Ist dir mittlerweile ein Song in den Sinn gekommen, den du uns textlich ans Herz legen würdest?

Elvis Creep: Immer langsam. Ich war doch gerade noch mit der Beantwortung der anderen Fragen beschäftigt. Aber ja, ich hab’ da einen im Sinn. Wir haben ihn gestern und vorgestern auch live gespielt. Leider komme ich gerade nicht auf seinen Namen. Ich kann aber auch einen der neuen Songs empfehlen. Der Titel des Stücks ist ‘Clone’. Nichts besonderes. Es geht nur um eine Technik, mit der man sich selbst klonen kann. Der Klon geht dann zur Arbeit, bezahlt die Rechnungen und bewältigt den langweiligen Alltag und man selbst hat Zeit für die schönen Dinge im Leben. Wenn man vom vielen Feiern dann total abgewrackt ist, kann man sich seiner gesunden Organe bemächtigen. Danach kann man einfach einen neuen Klon erschaffen und das Spiel geht weiter. Eine schreckliche Vorstellung. Das läuft dann so nach dem Motto: ‘Welche Superkräfte dürfen es denn heute sein?’

?: Vielen Dank für das Interview.

Elvis Creep: Sehr gerne.

Hype. Ein schreckliches Wort. Impliziert es doch nicht selten geringe Halbwertszeit. Dessen scheint sich auch Ryan Sambol, seines Zeichens Frontmann der Strange Boys bewusst zu sein. Steht diese Band aber erst mal auf der Bühne, versteht man schnell, warum sie als heißer Scheiß aus Austin gehandelt werden.

Schräg und holprig ist das, und trotzdem kommt das Sextett aus Austin mit dermaßen viel unverschämter Melodie daher, dass es sogar Kate Moss sichtbar im Tanzknöchel juckt. Dabei verbindet die Musik scheinbar mühelos die Essenz der letzten Dekaden mit rotzfrechem Jetzt. Und als ob das noch nicht genug ist, verfallen die Strange Boys dabei zu keinem Zeitpunkt in eine künstliche Retro-Huldigungs-Starre, wie so viele andere Bands.

Ganz im Gegenteil: Das hier ist frisch und vorwärtsgewandt – der richtige Soundtrack für eine Sommer der dreckigen Fingernägel, in dem bürgerliche Moralvorstellungen gepflegt Urlaub machen können.
Der Hype ist also berechtigt.

Warum der aber eigentlich auch schon wieder vorbei ist und wie es sich anfühlt mit heulenden Katzen verglichen zu werden klären wir mit Frontmann Ryan Sambol kurz vor einem furiosen Konzert anlässlich des jüngsten Future Days Festes im White Trash.

? Ihr habt die Band 2001 in der 8.Klasse geründet. Gab es für Jungs in eurem Alter nichts anderes zu tun, als eine Rock’n’Roll Band zu gründen? Vielleicht Football, oder Baseball?

Ryan Sambol: Doch, doch, das haben wir außerdem gemacht. Damals spielten wir aber fast nur Baseball.

? Ihr hattet also genug Zeit für Rock’n’Roll und Baseball?

Ryan Sambol: Auf jeden Fall.

? Wenn ich richtig zähle, dann entstanden in 11 Bandjahren 3 Alben, davon 2 in den letzten beiden
Jahren. Erhöht ihr seit kurzem das Tempo?

Ryan Sambol: Das waren schon mehr Alben, aber nur die drei wurden veröffentlicht. Seit wir angefangen haben machen wir im Schnitt ein Album pro Jahr. Das sind aber nur CD-Rs, die in meinem Zimmer entstehen. Es gibt also eine Menge mehr Alben, es gibt aber auch einen Grund, warum du sie noch nicht zu hören bekommen hast – sie sind einfach nicht besonders gut.

? Wie kam es zum Vertrag mit `Rough Trade` anno 2009?

Ryan Sambol: Wir waren ja vorher schon auf `In The Red`. Die Leute von ‚Rough Trade‘ haben die Platte gehört und uns anschließend gefragt, ob wir nicht einen Vertrag mit ihnen schließen wollen. Wir bejahten, aber unter der Bedingung, dass die nächste Platte zumindest in den Vereinigten Staaten bei Larry auf ‚In The Red‘ rauskommt. `Rough Trade` kamen zur richtigen Zeit mit dem richtigen Angebot auf uns zu. Wir mochten auch die Platten, die sie vorher veröffentlicht haben. Das ist schon schmeichelhaft – ein guter Name.

? Ein gutes Erbe also.

Ryan Sambol: Ja, so was findet man heutzutage nur noch selten. Auf der anderen Seite bedeutet es aber auch rein gar nichts. Das merkt man wiederum sehr schnell.

? Dein Gesang wird oft mit dem ‘miauen’ eines Katers verglichen. Stört dich dieser Vergleich, oder passt er vielleicht sogar ganz gut?

Ryan Sambol: Ich bin mehr so der Hunde-Typ. Auf früheren Platten passt die Bezeichnung tatsächlich, aber wenn ich genau darüber nachdenke, mochte ich sie auch damals schon nicht.

? Man vergleicht euch außerdem mit alten Helden und aktuellen Größen des Genres. Sind solche Vergleiche gut für das Ego, oder versucht ihr euch davon frei zu machen und auf die Musik zu konzentrieren?

Ryan Sambol: Dem kann man nicht allzu große Beachtung widmen. Wenn man es an sich heranlässt, dass die eine Stimme sagt, du klingst wie eine Katze, die andere aber behauptet, du würdest wie Dylan klingen, dann kann man so oder so nur verlieren. Man muss da anders rangehen.

? Der Titel des aktuellen Albums ist ‘Live Music’.

Ryan Sambol: lebe Musik.

? Das wäre meine nächste Frage gewesen. Beschreibt es die Art der Musik oder ist es ein Imperativ, der uns auffordert in einer gewissen Art und Weise zu leben?

Ryan Sambol: Es soll vielleicht niemanden animieren, fasst aber das Album an sich sehr gut zusammen. Wir spielen viel live und leben gleichzeitig auch die Musik. Es funktioniert also wahrscheinlich in beide Richtungen – wir übersetzen es aber eben mit ‚lebe Musik‘.

? War es für euch als eine Band aus Austin von Vorteil, dass das SXSW (South By Southwest)-Festival jährlich in der Stadt gastiert?

Ryan Sambol: Es hat uns geholfen. Wir bekamen durch das Festival und auch Treffen mit Bookern europäischer Agenturen eine Menge guter Bookings. Auch `Rough Trade‘ hat uns nach dem South By Southwest unter Vertrag genommen. Es ist aber auch einfach eine großartige Zeit um Freunde zu treffen. Jeder kommt einmal im Jahr vorbei.

? Was waren deine musikalischen Einflüsse als du jünger warst und was waren Inspirationen aus anderen Ländern, wie zum Beispiel England?

Ryan Sambol: Warum England?

? Ihr habt auf der Insel großen Erfolg und euch wird oftmals ein britischer Touch unterstellt. Daher liegt die Frage nahe.

Ryan Sambol: Als englische Bands gebe ich da natürlich erst mal die Beatles und die Stones an. Kommen die The Kinks aus England?

? Ja.

Ryan Sambol: Mal sehen. Ich habe das Gefühl, da gibt es noch eine Menge mehr. Wahrscheinlich alle, die einem so einfallen. Auf jeden Fall auch Pulp. Die mögen wir sehr.

? Ich habe gelesen, du magst auch Graham Coxon.
Ryan Sambol: Das habe ich nicht gesagt. Ich meine, ich kenne ihn nicht einmal.

? Es wird oft der Begriff `Garage` bemüht, um eure Musik zu beschreiben. Findest du das passend, oder würdest du sagen da steckt mehr drin?

Ryan Sambol: Als wir am Anfang im Haus meiner Eltern probten, hatten wir einen Proberaum über der Garage. Das fasst es gut zusammen. Wir mögen die Garage- Platten, die wir gemacht haben. Zu Beginn war der Begriff also treffender, heutzutage passt er allerdings nicht mehr so gut, aber so ist das nun mal: viele Leute irren sich ohnehin in vielen Dingen.

? Kate Moss hat den Song ‘Be Brave‘ für eine Top Shop-Werbung verwendet. Außerdem habt ihr Julian Casablancas auf seiner Solotour als Vorband begleitet. Fühlt es sich gut an, wenn ein so berühmtes Model wie Kate Moss einen eurer Songs in ihrer Werbung verwendet, oder nervt es, dass die Musik so kommerzialisiert wird? Und wie war es mit Herrn Casablancas auf Tour?

Ryan Sambol: Man bekommt Geld dafür. Wir haben nicht einmal so viel dafür bezahlt bekommen. Ich habe das Video gesehen. Sie sieht gut aus, das Video ist gut gemacht und sie tanzt durch die Gegend.
Das Ding mit Julian war ziemlich cool. Ich bin mit den Strokes aufgewachsen und habe sie 2001 zusammen mit den White Stripes in der Radio City Music Hall (in New York. Anm.d.Autors) gesehen.

? Das klingt nach einem legendären Konzert.

Ryan Sambol: Es war großartig. Die White Stripes hatten gerade erst `White Blood Cells` veröffentlicht und die Strokes waren auf dem Höhepunkt ihres Schaffens – das Ganze in einer ausverkauften Radio City Music Hall und ich war dabei. Ein seltener Moment. Das war wirklich krass. Julian ist ein sehr netter Zeitgenosse, der Musik grundsätzlich mag. So jemand ist schwer zu finden.

? Ihr seid viel unterwegs. Wie beeinflusst die Tournee den Charakter eurer Stücke? Ist sie nötig, um die Musik und die Texte überhaupt erst kreieren zu können?

Ryan Sambol: Total. Nach der ersten Europa Tournee zur ersten Platte kam ich nach Hause zurück und hatte die ganzen Texte im Gepäck, die ich während dieser Tour geschrieben hatte, um damit die nächste Platte zu machen. Nach der Tour zu `Be Brave` war es genau das Gleiche. Auch im Hinblick auf die nächste Platte ist es genauso. Wir spielen ja schon viel neues Zeug von dem kommenden Album und testen die Stücke mehr, als wir das jemals zuvor getan haben. Also ja, für uns ist das total wichtig.

? Auf der vorletzten Platte `Be Brave` gibt es die Textzeile: ‘Tonight‘s dinner is tomorrows shit.’ Ist es manchmal hart als Hype gehandelt zu werden, oder hilft es bekannter zu werden.

Ryan Sambol: Es hilft. Ich denke wir hatten in diesem Punkt Glück. Da war zwar ein Hype, aber der war irgendwann auch wieder vorbei. Wir veröffentlichten danach einfach weiterhin Platten und spielten Shows. Manchmal bekommen Leute zu viel Hype ab, bei uns war es aber nicht zu viel und das war auch gut so. Vielleicht hätten die Leute von der Plattenfirma in diesem Punkt eine andere Meinung, weil sie mehr Platten verkaufen wollen, aber für uns war es gut so. Wir sind eine ganz normale Band, die großartige Konzerte, aber eben auch schon richtig beschissene Gigs gespielt hat.

? Wer hat eigentlich das Cover der aktuellen Platte gestaltet?

Ryan Sambol: Das war ich

? Gefällt mir gut.

Ryan Sambol: Danke Mann.